„Selbstlose Eltern sind glückliche Eltern“ – so könnte die Überschrift einer brandneuen Studie aus dem Bereich „Psychologie und Erziehung“ lauten. Demnach ziehen Mütter und Väter, die dem Wohlbefinden ihrer Sprösslinge höchste Priorität einräumen, aus deren Glück Zufriedenheit und Freude. Doch ist das wirklich möglich? Immerhin scheint diese Studie ein genauer Gegensatz der vielfach propagierten These zu sein, dass gerade jene Mütter und Väter, die innerhalb der Familie immer noch genügend Raum zur eigenen Entfaltung finden, ein hohes Maß an Ausgeglichenheit und Erfüllung empfinden können.
Selbstlose Elternliebe – was soll das genau bedeuten?
Selbstlosigkeit innerhalb des Elterndaseins bedeutet, dass die Wünsche des Kindes oberste Priorität genießen und die eigenen Bedürfnisse erst einmal hinten anstehen. Diese These kann schnell zu Missverständnissen führen, denn „selbstlos“ sollte nicht mit „nachgiebig“ verwechselt werden. Es ist nicht im Sinne dieses Leitsatzes, dem Kind jeden (materiellen) Wunsch von den Augen abzulesen und es mit Geschenken, Süßigkeiten und Spielzeug zu überhäufen. Im Gegenteil – hierbei gilt nach wie vor: Eltern haben klare Grenzen aufzuzeigen!
Überschüttet werden sollte das Kind jedoch mit Liebe, Verständnis, Geduld und vor allem Zeit. Selbstlose Eltern unternehmen viele Freizeitaktivitäten mit ihren Kindern und richten sich dabei nach deren Wünschen:
- Ausflüge in den Wald oder auf einen Bauernhof
- Lange Spaziergänge
- Viele Stunden auf dem Spielplatz (bei schlechtem Wetter: Indoor)
- Schwimmen gehen
- Ein gemeinsames Hobby ausüben (beispielsweise Reiten)
- Bastelstunden veranstalten
- Gemeinsam Bücher lesen oder Brettspiele spielen
Eltern und Kinder gewinnen dadurch eine qualitativ hochwertige gemeinsame Zeit, schaffen wunderbare Erinnerungen und festigen das Band, welches sie miteinander verbindet.
Hinten angestellt wird dabei das Bedürfnis der Eltern nach partnerschaftlicher Zweisamkeit oder gar der Wunsch nach Selbsterfüllung durch Einzelaktivitäten. Laut der eingangs erwähnten Studie lässt diese Selbstlosigkeit Mütter und Väter große Glücksgefühle empfinden.
Selbstlose Eltern sind glückliche Eltern – ein genauer Blick auf die Studie
Die Studie, welche derzeit die Medien beschäftigt, ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of Amsterdam („Department of Psychology and Education“) und der University of British Columbia (Vancouver, Canada). Über 300 Probanden wurden in zwei Erhebungen zu den Themen „Zufriedenheit im Elterndasein“ und „Rekonstruktion der Aktivitäten mit den Kindern in den vergangenen Tagen“ befragt.
Der einen Umfrage zufolge war ein großer Teil der Probanden davon überzeugt, dass ihre Elternschaft ihnen besondere Erfüllung verschaffe, da sie ihr Leben stark nach ihren Sprösslingen ausrichten und deren Zufriedenheit in den Mittelpunkt rücken würden. Dies verleihe ihrem Schaffen Sinn und bestätige sie in ihrer Rolle und ihrem gewählten Weg.
In der anderen Erhebung wollten die Wissenschaftler erkunden, mit welchen Aktivitäten sich die befragten Familien beschäftigt und wie sich die Eltern dabei gefühlt haben. Die Ergebnisse der Studie bestätigten, dass Mütter und Väter, die selbstlos das Wohl ihrer Kinder in den Mittelpunkt ihres Lebens stellten, ein enormes Maß an Zufriedenheit und Sinnerfüllung aus den Familienaktivitäten ziehen konnten.
Viele Wissenschaftler sehen diese Studie als einen weiteren, handfesten Beweis für die These an, dass das persönliche Wohlbefinden eines Menschen ganz erheblich davon beeinflusst wird, wie stark er sich um seine Mitmenschen bemüht. Sind selbstlose Eltern also tatsächlich die glücklicheren Eltern?
Selbstlosigkeit in der Kindererziehung – ein Realitätscheck
Wie bei jeder anderen Studie auch, so sollte bei dieser das Endergebnis ebenfalls nicht ohne Vorbehalte als „neue Wahrheit“ akzeptiert und in das eigene Familienleben integriert werden. Schon jetzt, nur kurze Zeit nach Veröffentlichung der Ergebnisse, werden kritische Stimmen laut, die vor einer Pauschalisierung der erhobenen Informationen warnen.
So sei es sorgenfreien Eltern, deren Leben beruflich und finanziell abgesichert sind, generell ein Leichtes, die Zufriedenheit ihrer Kinder in den Mittelpunkt ihres Interesses und deren Bedürfnisse vor die eigenen Wünsche zu stellen. Darin läge jedoch nicht die alleinige Quelle ihres Elternglückes. Umgekehrt falle es belasteten Eltern, die unter beruflichem Stress und finanziellen Sorgen leiden, deutlich schwerer, die Bedürfnisse ihrer Kinder über die eigenen zu stellen und aus dem Wohlbefinden des Nachwuchses Glück und Zufriedenheit zu ziehen. Der Wunsch, selbstlose Elternliebe verschenken und daraus einen Lebenssinn ziehen zu wollen, hängt demnach also ebenfalls von den äußeren Umständen – nicht nur von der persönlichen, inneren Einstellung – ab.
Somit sind die Ergebnisse der Studie nicht unbedingt verkehrt, sollten aber auch nicht als „alleiniger Schlüssel zu Glück“ betrachtet werden. Eltern dürfen es vielmehr als Anregung sehen, sich regelmäßig aus dem Alltag auszuklinken und gemeinsame Aktivitäten mit ihren Kindern, bei denen die Wünsche der Kleinen im Vordergrund stehen, zu planen. Die (durch diese Hingabe) entstehende Harmonie wird dazu führen, dass sich die Mütter und Väter in ihrem Elterndasein bestätigt fühlen – die beste Ausgangsposition also, um mehr Ausgeglichenheit und Zufriedenheit im eigenen Leben zu finden.